„Die Betriebsverpflegung wurde hierzulande bis vor kurzem oft stiefmütterlich behandelt. Sie stand nicht für Genuss und Lebensfreude. Sie stand nicht für Qualität und Vorfreude. Und das passt eben nicht mehr in die heutige Zeit“, beschreibt die 59jährige Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheits-
psychologin. Längst haben auch Unternehmen im deutschsprachigen Raum über den Atlantik gelinst und beispielsweise bei großen IT-Riesen im Silicon Valley gesehen, dass Arbeit auch Freude machen kann – wenn sie einen Beitrag zur Lebensqualität leistet. „Dazu braucht man als Unternehmer aber auch das passende Setting und die entsprechende Haltung. Essen ist dabei ein riesiger Hebel.“ Der Pfad weg vom matschigen, lieblos gekochten Gemüse hin zu frisch zubereiteten vegetarischen Speisen führt allerdings viel weiter als nur über neue Trendgerichte wie Buddha-Bowls.
Nouvelle Cantine, die neue Kantinenkultur, beschreibt eine Trendwende in der Betriebsgastro-nomie. Ganz bewusst in Anlehnung auf die „Nouvelle Cuisine“, einem Kochstil, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der französischen Küche entwickelt wurde und auf frische Zutaten, natürlichen Geschmack, leichte Saucen, kürzere Zubereitungszeiten und schonende Verarbeitung setzt. „In den 1970er und 1980er Jahren haben die Gastronomiekritiker Henri Gault und Christian Millau den Begriff publik gemacht und damit die Küche revolutioniert“, erläutert die Wienerin Rützler. In Deutschland gilt Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann als einer der wichtigsten Vertreter der neuen Art zu kochen, mit der Abkehr von der oftmals schweren, deftigen und fleischlastigen deutschen Hausmannskost. Hanni Rützler hat den Begriff Nouvelle Cantine in Anlehnung an die Nouvelle Cuisine 2019 geprägt: „Ich wollte dieses Französische mitnehmen, weil Französisch bei mir immer noch die Idee der Wertschätzung auslöst. Der Wertschätzung für das Produkt.“
Wertschätzung zeigt sich in der Nouvelle Cantine gleich auf mehreren Ebenen. Der Arbeitgeber tut etwas für seine Mitarbeiter, in dem er ihnen ein kulinarisch hochwertiges Angebot macht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich mitgenommen in ihren individuellen Bedürfnissen – das motiviert. Die Kantine selbst gleicht einem „Bistro, Restaurant oder etwas ganz Neuem. Einem Platz, an dem es um Regeneration, Inspiration, Austausch, Rückzug – was auch immer gerade gebraucht wird – geht“, so Rützler. „Wer ein Betriebsrestaurant führt, hat auch eine ernährungsphysiologische Verantwortung, muss wissen, was eine ausgewogene Ernährung ist, das ist State of the Art. Allerdings, das alleine reicht natürlich nicht: Es muss vor allem schmecken! Und schön ausschauen! Und es muss die richtige Rezeptur haben, mit denen die Leute abgeholt und inspiriert werden.“ Eine noch so bunte Bowl, die nach nichts schmeckt, lockt also niemanden hinterm Schreibtisch hervor.
Der Wandel in den Betriebsrestaurants nimmt laut Rützler seit fünf bis zehn Jahren richtig Fahrt auf. Kein Wunder, denn die Megatrends Gesundheit, Individualität und New Work spiegeln sich – wie viele andere Trends – auch in unserem Essverhalten.